BVT 2018. Die Affäre.

Chronologie

2015: Nordkoreanische Beamte bestellen Passrohlinge bei der österreichischen Staatsdruckerei.

Früjahr 2016: Die österreichische Staatsdruckerei übergibt freiwillig Passrohlinge an das BVT. Das BVT übergibt 3 Exemplare an Südkorea.

Frühjahr 2017: ein Hans-Bernd Anders sendet mehrere e-Mails an die Korruptionsstaatsanwaltschaft, mit Vorwürfen betreffend das BVT.

Mai 2017: ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner tritt unerwartet aus allen Funktionen zurück, vorgezogene Nationalratswahlen sind unausweichlich. Sebastian Kurz übernimmt die ÖVP.

Sommer 2017: Anonyme Anzeige auf 39 Seiten gegen das BVT. Es geht um Veruntreuung und Amtsmißbrauch. Dazu gibt es ältere Beschwerden aus der Kanzlei des Wiener Anwalts Gabriel Lansky über nicht gelöschte BVT-Ermittlungsdaten.

Herbst 2017: Vorgezogene Nationalratswhalen in Österreich.

Dezember 2017: Angelobung der neuen Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz. Herbert Kickl (FPÖ) wird Innenminister. Mario Kunasek (FPÖ) wird Landesverteidigungsminister. Josef Moser (ex-FPÖ, aktuell ÖVP) wird Justizminister.

Jänner 2018: BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber trifft den Wiener Anwalt Gabriel Lansky. BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber kontaktiert die Korruptionsstaatsanwaltschaft und übergibt weitere, umfangreichere Anzeigen.

31. Jänner 2018
: Innenminister Herbert Kickl unterschreibt die Wiederbestellung des bisherigen BVT-Direktors Peter Gridling für weitere fünf Jahre.

19. Februar 2018: Bundespräsident Alexander Van der Bellen unterzeichnet das Ernennungsdekret.

Nach dem 19. Februar: Mehrere Zeugen aus dem Innenministerium (gebracht von Peter Goldgruber) sagen bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft aus und belasten Peter Gridling, zwei davon in Begleitung eines Kabinettsmitarbeiters des Innenministers (Udo Lett), welcher als "Vetrauensperson" genannt wird.

27. Februar 2018 spätabends: Genehmigung durch einen Journalrichter für Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, und mehrere Hausdurchsuchungen in Privatwohungen BVT-Beamten, Beschlagnahme der EDV-Daten und weiterer Unterlagen. Das Justizministerium wird nicht informiert. BVT-Chef Peter Gridling wird angeblich als Beschuldigter geführt.

28. Februar 2018: BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber erhält das Wiederbstellungsdekret und verweigert die Zustellung. Unter Führung der Korruptionsstaatsanwältin Ursula Schmudermayer werden die genehmigten Hausdurchsuchungen durch EGS (Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität - unter FPÖ-Führung) durchgeführt.

13. März 2018: Innenminister Kickl bestätigt Peter Gridling formal in seinem Amt als BVT-Direktor, suspendiert ihn aber gleichzeitig, bis zur Klärung der Vorwürfe.

13. März 2018: Florian Klenk berichtet über brisante Verwicklungen in der BVT-Causa: Falter 11/18. Demnach wollten sowohl Kickl als auch weitere Personen aus seinem Kreis Peter Gridling loswerden. Martin Weiss (Leiter der Abteilung 2 BVT, seit längerer Zeit nicht im Dienst, und Gert-René Polli (ex-BVT-Leiter) sollen sich öfters im Hyatt Hotel getroffen haben. Martin Weiss soll aber auch BMI-Generalsekretär Peter Goldgruber bei einem Empfang in der US-Botschaft kontaktiert haben.

15. März 2018: Peter Gridlings Rechtsanwalt, Dr. Martin Riedl, kündigt im ZIB2-Interview Beschwerde gegen die Suspendierung beim Verwaltungsgericht an. "Man wollte Gridling loswerden".

23. Mai 2018: Peter Gridling ist wieder als BVT-Leiter im Dienst, seine Suspendierung wurde vom Verwaltungsgericht aufgehoben. Er wird vom amtierenden Innenminister mit der Umstrukturierung des BVT beauftragt.

Juni 2018: Zwei weitere Suspendierungen von BVT-Beamten werden durch das Bundesverwaltungsgericht aufgehoben. Der Leiter der Abteilung Nachrichtendienste im BVT wird entlassen. Das Innenministerium erkundigt sich bezüglich der zweiten Suspendierung von Peter Gridling und gibt bekannt, dass gegen Peter Gridling strafrechtlich ermittelt wird.

Juni 2018: "profil" und "Der Standard" veröffentlichen die Besprechungsprotokolle aus dem Justizministerium nach der BVT-Hausdurchsuchung: Christian Pilnacek, Generalsekretär und Sektionschef der Sektion IV Strafrecht im österreichischen Justizministerium, wurde vom Vorhaben des Innenministeriums (BVT-Razzia) nicht informiert, er kritisiert die Nichteinhaltung des Dienstweges durch das Innenministerium scharf und bezeichnet die auffällige Vorgehensweise als skandalös. Es stellt sich heraus, dass Peter Goldgruber, Generalsekretär im Bundesministerium für Inneres, als Anzeiger aufgetreten ist.

Juni 2018: "Kurier" berichtet, der Kabinettmitarbeiter Kickls, Udo Lett, sei mit einem ehemaligen BVT-Mitarbeiter in Verbindung, gegen den strafrechtliche Ermittlungen wegen Verdachts des Verrats von Staatsgeheimnissen (an Russland) laufen. Udo Lett habe den suspendierten BVT-Mitarbeiter (der sich als Belastungszeuge angeboten hatte) persönlich getroffen und mit ihm korrespondiert. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Suspendierung im Juni 2018 aufgehoben. Wie "Kurier" berichtet, "Indes ist die strafrechtliche Sache für O. noch nicht erledigt. Die Staatsanwaltschaft Wien ersucht die US-Behörden auf dem Rechtshilfeweg, den Google-Mailaccount von O. zu öffnen. Er soll die Zugangsdaten nicht herausgerückt haben. Laut Verwaltungsgericht könne erst nach dieser Öffnung festgestellt werden, ob er etwaige Geheimdokumente an unberechtigte Dritte weitergegeben habe. Sollten sich die Vorwürfe zu einem späteren Zeitpunkt doch noch erhärten, räumt das Gericht ein, könne das Ministerium eine neuerliche Suspendierung aussprechen." Quelle: https://kurier.at/chronik/oesterreich/verdacht-geheimnisverrat-suspendierung-von-bvt-beamten-aufgehoben/400053626



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Die Folgen der BVT-Hausdurchsuchung

Die Art und Weise wie die Anzeigen und Ermittlungen gegen das BVT erfolgt sind, sind dazu geeignet, zu einem Bruch mit den westlichen, befreundeten Geheimdiensten zu führen.
Ein eventueller Rückzug könnte zum Beispiel Russlands Eínflusssphäre in Österreich erweitern.

Diese Vorgehensweise hat das BVT, die einzige Antiterrobehörde des Landes, lahmgelegt und seine Mitarbeiter zutiefst verunsichert.

Die Tatsachen liegen auf der Hand und sind selbst für Laien unschwer zu erkennen.



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Die Rolle des Prof. Dr. Gert-René POLLI


Wer ist Prof. Dr. Gert René POLLI ?


Übersicht:

2002-2008: Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, in der Regierung Wolfgang Schüssel.

2007: Verleihung des Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich.

2008-2009: Sicherheitschef bei Siemens AG in München.
Wegen seiner engen Iran-Kontakte während seiner Zeit als BVT-Direktor, hat die deutsche Generalbundesanwaltschaft gegen Polli Ermittlungen eingeleitet, die später mangels Verdachtslage eingestellt wurden. Seinen Posten als Siemens-Sicherheitschef hat er jedoch nicht wieder bekommen.

Am 1. Dezember 2017 wurde Gert René Polli Honorarprofessor an einer ukrainischer Universität.


14.10.2011: Gründung der polli GmbH an der Adresse Ulmenstraße 82, 1140 Wien. Gesellschafter und Geschäftsführer: Dr. Gert Rene Polli.

03.10.2014: neue Geschäftsadresse, Argentinierstraße 21/8, 1040 Wien.

04.02.2016 neue Geschäftsadresse, Plösslgasse 10/5, 1040 Wien.

Am 03.08.2016: Hegelgasse 8/22, Liquidation, die Funktion des bisherigen Geschäftsführers Gert Rene Polli wurde gelöscht. An der Adresse Hegelgasse 8/22 befindet sich u. a. die Dr. Hans Bodendorfer Steuerberatungsges.m.b.H. Per Generalversammlungsbeschluss vom 21.03.2017 wurde die Fortsetzung der polli GmbH beschlossen, da laut Bilanz des Wirtschaftsjahres 2016 mit einer positiven Fortbestehensprognose zu rechnen war.

13.11.2017: neue Geschäftsadresse, Riglergasse 4/20, 1180 Wien.

31.05.2018: neue Geschäftsadresse, Louise-Martini-Weg 11, 1030 Wien.

13.9.2018: Änderung des Firmenwortlautes von polli GmbH in FRX Holding GmbH. Unternehmensgegenstand: Holding und Handel mit Waren aller Art. Anm.: Eine Holding ist eine Dachgesellschaft, die Kapitalbeteiligungen an anderen Firmen hält (ausschließlicher Betriebszweck).
Dr. Polli scheint als Geschäftsführer und Alleingesellschafter auf.
Die Tätigkeit als Unternehmensberatung wurde eingestellt.


An der Adresse Salztorgasse 2, 1010 Wien jedoch (wie im Verzeichnis der Wirtschaftskammer angegeben) war die Gesellschaft laut Firmenbuch nie registriert. Wie der Zufall es wollte, sind an der Adresse Salztorgasse 2 (andere Türnummer) mehrere Gesellschaften des Ing. Robert Gerendas registriert: AGRICHEM HOLDING GmbH, AGRICHEM Handelsgesellschaft m.b.H, INTERMEDICAL Handels GmbH, AGRILOG GmbH. Es handelt sich offenbar um ein Bürohaus, wo mehrere Firmen untergebracht sind, darunter auch ein Privatdetektiv uvm.

Die Webadresse gertpolli.com registriert von Gert Polli, Fischabachgasse 23, 2700 Wiener Neustadt., ist seit kurzer Zeit wieder erreichbar.

Dr. Polli schrieb ein Buch, es erschien im FinanzBuch Verlag am 10. April 2017: "Deutschland zwischen den Fronten: Wie Europa zum Spielball von Politik und Geheimdiensten wird". Offenbar eine Abrechnung, Bitterkeit und Enttäuschung werden kommuniziert. Das Vorwort ("Über dieses Buch") beginnt mit 9/11, ein für den Diensteintritt des BVT-Direktors bezeichnendes Ereignis, welches in metaphorischer Weise die weiteren Karriere-Schritte des Dr. Polli begleiten soll: "Als ich drei Monate später mit er Leitung dieser Behörde (Anm.: BVT) betraut wurde, war nichts mehr wie davor, und als ich im Jahre 2008 aus dieser Funktion ausschied, hatte sich die Welt grundlegend verändert - und ich mich mit ihr."


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Welche Rolle spielt Prof. Dr. Gert René POLLI in der aktuellen "BVT-Affäre" ?


Dr. Gert René Polli unterstützt die FPÖ seit geraumer Zeit, H. C. Strache ist einer seiner Kunden. Seit Bekanntwerden der BVT-Hausdurchsuchungen gab er mehrere Interviews, u.a. für den ORF, Österreich (Fellner-Live), Wochenblick, Kurier, etc. Aber auch schon im Dezember 2017 verbreitete er Reformpläne für das BVT (Fusion der Geheimdienste, etc.) im Gespräch mit M. Kopeinig (Kurier, 16.12.2017).

In einem ORF-Studiogespräch (ZiB24) am 9. März 2018 kompromittiert er die ihm einst unterstellte Behörde öffentlich:

„Ja, es läuft einiges falsch, seit Jahren eigentlich, aber ich würde nicht sagen, dass es zum Himmel stinkt. Es riecht nach Korruption auf der einen Seite und Führungslosigkeit auf der anderen Seite. Was wir über viele viel Jahre im BVT beobachten, ist Führungsmangel auf der einen Seite und die Herrschaft eines Netzwerks. [...] Es ist ein Netzwerk von Günstlingen. Ich glaube, das ist die Art und Weise wie diese Behörde über viele Jahre korrumpiert wurde. [...] Es hat nichts mit dem Innenministerium zu tun, es hat nichts mit den Freiheitlichen zu tun, nichts mit der Person des Ministers zu tun. Das ist eine Entwicklung die schon 2009, 2010 und 2013 eingesetzt hat. Hauptsächlich dadurch, dass Personen in Führungspositionen gebracht wurden, die außer dem Parteibuch selbst keine Qualifikation aufwiesen. Die Konsequenz ist die Korruption dieser Behörde auch in fachlicher Hinsicht [...]. Es ist kein Machtvakuum als solches, es ist ausgelöst durch Informationen und Anzeigen, nicht einmal anonym, an die Staatsanwaltschaft. Diese Berichte sind etwas überzeichnet. Es ist nichts anderes als der Zustand einer Organisation die für die Sicherheit der Republik von eminenter Bedeutung ist, insbesondere bevor wir die EU-Präsidentschaft antreten.
Sie haben innerhalb des BVT zwei Arten von Leuten: die die sich fachlich bemühen und die die das System über Jahre ausgenutzt und korrumpiert haben. [...] Diese Informationen (Anm.: die beschlagnahmt wurden) kommen auch von ausländischen Diensten. Womit wir es hier zu tun haben, ist der Beginn oder der vorläufige Höhepunkt einer Vertrauenskrise der Zusammenarbeit europäischer Nachrichtendienste und den heimischen Behörden. Es ist kein Wunder, warum die österreichischen Dienstchefs anlässlich einer hochrangigen Versammlung bei der Sicherheitskonferenz in München nicht eingeladen wurden. Das ist mehr als ein alarmierendes Signal. Das sind die Konsequenzen.


Der ehemalige BVT-Direktor diskreditiert konsequent eine der wichtigsten Behörden in Österreich. Durch Veröffentlichung von Details die sonst nicht an die Öffentlichkeit gelangen würden ("Netzwerk von Günstlingen" Kompetenzlosigkeit, etc.).

Bevor er die Kompromittierung des BVT ausruft, betont er noch die zentrale Rolle des einzigen österreichischen Antiterroramtes. Natürlich wohlwissend, dass solche Stellungnahmen zur öffentlichen Diskreditierung des BVT beitragen und einen enormen Schaden verursachen.
Übrigens: laut Medienberichten ist es nicht wahr, dass "österreichische Dienstchefs bei der Sicherheitskonferenz in München nicht eingeladen waren".

Dr. Polli konnte keinen einzigen Beweis für die von ihm aufgestellten Behauptungen bringen. Somit stellt sich die Frage, warum der ehemalige BVT-Direktor eine solche aggressive Propaganda gegen die ihm einst unterstellte Behörde führt.

Das BVT sei wegen der vielen Festnahmen nicht länger handlungsfähig, legt Polli in einem Interview mit Fellner-Live am 13.3.2018 nach, die Fähigkeit, mit ausländischen Geheimdiensten zusammen zu arbeiten sei dadurch schwer beeinträchtigt. Ein "Desaster" sei in erster Linie die Veröffentlichung der Hausdurchsuchungen gewesen.

Als gelernter Nachrichtendienstler weiß man genau, was und wie man kommuniziert. Und vor allem, warum. Als gelernter Tischler - nicht.



- 17.03.2018. Laufend aktualisiert -

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Quellen:

_______*Hinweis: Die Autorin fühlt sich der wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet und hat die veröffentlichten Informationen sorgfältig geprüft. Es gilt für die hier genannten Personen die Unschuldsvermutung. Erst das Gericht letzter Instanz kann über Schuld oder Unschuld entscheiden. Sollten Sie der Meinung sein, dass Rechte Dritter verletzt werden, so teilen Sie uns dies bitte umgehend per e-Mail mit. - Copyright: Ana Maria Ivan, akkreditierte Journalistin, Eigenverlag, A-1100 Wien, Wiedner Gürtel 13, Icon Tower 24, 3. Stock._______